Montag, 2. Mai 2005

Tom Cruise kann helfen

Jeder hat seine Mission (Spiegel-Gespräch mit Tom Cruise & Steven Spielberg 25.04.05)
(gekürzte Fassung)

SPIEGEL: Wir haben einen Ihrer Drehorte nahe Los Angeles besucht und waren erstaunt, gleich neben den Verpflegungszelten für Journalisten und Komparsen ein Zelt mitsamt Personal der Scientology-Organisation vorzufinden.

Cruise: Was erstaunt Sie daran?

SPIEGEL: Warum machen Sie Ihre privaten Überzeugungen dermaßen öffentlich?

Cruise: Ich glaube an das Recht auf freie Meinungsäußerung. Ich fühlte mich geehrt, dass die ehrenamtlichen Scientology-Geistlichen am Set waren. Sie haben der Crew geholfen. Wenn ich an einem Film arbeite, tue ich, was in meiner Macht steht, um den Leuten zu helfen, mit denen ich Zeit verbringe. Ich glaube an Kommunikation.

SPIEGEL: Ein Sektenzelt am Arbeitsplatz erscheint uns dennoch befremdlich. Mr. Spielberg, fanden Sie das Zelt ungewöhnlich?

Spielberg: Für mich war es ein Informationszelt. Niemand wurde gezwungen, dort hineinzugehen, aber es war zugänglich für jeden, der sich unvoreingenommen und neugierig über das Glaubenssystem anderer Leute informieren wollte.

Cruise: Die ehrenamtlichen Scientology-Geistlichen waren da, um Kranken und Verletzten zu helfen. Die Leute am Set haben das sehr geschätzt. Sie machen sich keine Vorstellungen davon, wie viele Leute wissen wollen, was Scientology ist. Ich habe überhaupt nichts dagegen, über meinen Glauben zu reden. Aber ich mache so vieles mehr. Wir leben in einer Welt, in der Menschen süchtig werden. Wo schon Kinder unter Drogen gesetzt werden. Wo die Verbrechen gegen die Menschheit so extrem sind, dass die meisten aus lauter Entsetzen nicht hinsehen wollen. Das sind die Dinge, die mich beschäftigen. Mir ist es egal, woran jemand glaubt. Mir ist egal, welcher Nationalität jemand ist. Aber wenn einer von den Drogen loskommen will, dann kann ich ihm helfen. Wenn einer lesen lernen will, dann kann ich ihm helfen. Wenn einer kein Krimineller mehr sein will, dann kann ich ihm Werkzeuge an die Hand geben, die sein Leben verbessern.

SPIEGEL: Sehen Sie es als Ihre Aufgabe an, neue Anhänger für Scientology zu rekrutieren?

Cruise: Ich bin ein Helfer. Ich selbst habe zum Beispiel Hunderten Leuten geholfen, von Drogen loszukommen. Wir bei Scientology haben das einzig erfolgreiche Drogen-Rehabilitationsprogramm der Welt. Es heißt Narconon.

SPIEGEL: Das stimmt nicht. Unter den anerkannten Entzugsverfahren taucht Ihres nirgends auf; unabhängige Mediziner warnen davor, weil es auf Pseudowissenschaft beruhe.

Cruise: Sie verstehen nicht, was ich sage. Es ist eine statistisch erwiesene Tatsache, dass es nur ein erfolgreiches Drogen-Rehabilitationsprogramm gibt in der Welt. Punkt.

SPIEGEL: Bei allem Respekt: Wir bezweifeln das, Mr. Cruise. Sie haben hochrangige Studiomanager, etwa von Paramount, dazu bewegt, das "Celebrity Center" von Scientology in Hollywood zu besuchen. Arbeiten Sie daran, den Einfluss von Scientology in Hollywood zu verstärken?

Cruise: Ich will nur den Leuten helfen. Ich will, dass es allen gut geht.

Spielberg: Ich bekomme oft ähnliche Fragen gestellt über meine Shoah Foundation. Ich werde gefragt, warum ich meine feste Überzeugung über die Notwendigkeit von mehr Toleranz zwischen den Menschen ausgerechnet dadurch verbreiten will, dass meine Stiftung die Geschichte des Holocaust an den öffentlichen Schulen lehrt. Ich glaube, niemand sollte aufs College gehen, ohne eine Toleranzschulung absolviert zu haben. Das sollte ein wichtiger Teil des Faches Gesellschaftslehre sein.

SPIEGEL: Mr. Spielberg, wollen Sie ernsthaft die aufklärerische Arbeit Ihrer Shoah Foundation mit dem vergleichen, was Scientology treibt?

Spielberg: Nein, das tue ich nicht. Tom hat Ihnen erzählt, woran er glaubt, und ich habe Ihnen danach erzählt, woran ich glaube. Dies ist überhaupt kein Vergleich zwischen der Scientology-Kirche und der Shoah Foundation. Ich wollte Ihnen zeigen, dass sich manche von uns hier in Hollywood mehr vorgenommen haben, als nur Schauspieler oder Regisseur zu sein. Manche von uns haben ganz persönliche Missionen. Für Tom ist es seine Kirche. Für mich ist es die Shoah Foundation, mit der ich versuche, über die tödlichen Gefahren von reinem Hass aufzuklären.

SPIEGEL: Wie gehen Sie dabei vor?

Spielberg: Der einzige Weg, jungen Leuten beizubringen, sich nicht gegenseitig umzubringen, besteht meines Erachtens darin, ihnen die Berichte der Überlebenden des Holocaust zu zeigen - damit sie ihnen aus erster Hand berichten, wie unmenschlich Menschen mit Menschen umgegangen sind. Wie sie gehasst wurden. Wie sie aus ihren Häusern vertrieben wurden. Wie ihre Familien ausgelöscht wurden und wie sie selbst dies auf wundersame Weise überlebten.

Cruise: Wie hat der Holocaust angefangen? Menschen werden nicht intolerant geboren. Menschen kommen nicht als Fanatiker und Rassisten auf die Welt. Es wird ihnen anerzogen.

SPIEGEL: Wie Sie wissen, Mr. Cruise, steht Scientology in Deutschland unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Scientology gilt dort nicht als Religion, sondern als ausbeuterischer Kult mit totalitären Tendenzen.

Cruise: Die Beobachtung ist längst nicht mehr so strikt. Und wissen Sie warum? Weil die Verfassungsschützer nie etwas gefunden haben. Weil es nie etwas zu finden gab. Wir haben in Deutschland mehr als 50 Gerichtsverfahren gewonnen. Und es stimmt nicht, dass die Deutschen insgesamt diesen Kurs gegen uns mittragen. Wann immer ich Deutschland besuche, mache ich dort unglaubliche Erfahrungen. Ich treffe da stets auf sehr großzügige und außergewöhnliche Leute. Eine Minderheit will hassen, okay.

SPIEGEL: Zwischen Hass und kritischer Haltung gibt es einen Unterschied.

Cruise: Für mich hat das mit Intoleranz zu tun.

SPIEGEL: Früher, etwa aus Anlass von "Mission: Impossible" (1996), haben deutsche Politiker zum Boykott Ihrer Filme aufgerufen. Fürchten Sie, dass Ihr Einsatz für Scientology Ihrer Karriere schaden könnte?

Cruise: Überhaupt nicht. Ich war immer sehr offen. Ich bin Scientologe seit 20 Jahren. Wenn jemand so intolerant ist, dass er einen Scientologen nicht im Kino sehen will, dann soll er eben nicht ins Kino gehen. Das ist mir gleich. Hier in den USA gilt Scientology als eine Religion. Wenn einige Ihrer Politiker das anders sehen, dann ist mir das ganz egal.


*Hilfe! Wie ist der denn drauf? Demnächst muss man noch Angst haben, dass einem Tom Cruise in der Fußgängerzone begegnet und er einem eine Scientology-Broschüre in die Hand drücken will. Oder noch schlimmer er steht bei einem vor der Tür. "Haben Sie heute schon über Gott geredet?" Buah!*

Penny

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